Ein mir sehr liebes Paar ist seit weit über 60 Jahren miteinander verbunden. Nun sind beide Mitte neunzig. Beide wollen schon länger nicht mehr leben, aber offenbar mag einer nicht vor dem anderen gehen. Ein alter Freund, den ich im Oktober im fernen Niederbayern besuchen wollte, ist schwer erkrankt. Ob er in zwei Wochen, wenn ich da sein werde, noch lebt, weiß man nicht. Zwei Freundinnen sind derzeit an Krebs erkrankt. Das Leben ist endlich - wer wüsste das nicht. Aber wir leben, als hätten wir mindestens ein zweites in der Schublade.
Seit etwa zwei Jahren miste ich aus. Mein Traum vom Tiny House ist inzwischen ausgeträumt - gar so verkleinern werde ich mich nicht können. Aber heute habe ich einen ganzen Schuhkarton mit alten Schrauben und Dichtungsringen und Nägeln und Imbusschlüsseln gefüllt, die ich in diesem Leben wohl nicht mehr brauchen werde. Im März werde ich 65. Ich habe mal geschätzt, wie viele Bücher ich in den nächsten zwei Jahrzehnten wohl noch werde lesen können. Das dürfte mir erleichtern, auch mein Bücherregal zu verschlanken.
Das Wegwerfen und Verschenken fällt mir immer leichter. Und ganz allmählich freue ich mich auf eine halbleere Wohnung, die ich dann - jugendlich frisch - neu gestalten kann. Weil ja der liebe Gott angeblich ein Fenster öffnet, wenn irgendwo eine Tür zugeschlagen ist, gehe ich einfach mal davon aus, dass auf den Abschied von vielen Dingen auch irgendwie ein Neuanfang kommen wird. Für die nächsten 20 bis 30 Jahre könnte sich das ja noch lohnen ...!